Seite 2
4. Chronologischer Ablauf/Handlungsschritte Anlaufphase

Im Juni 2006 begannen die Streetworker mit der aufsuchenden Jugendarbeit im Sendenhorster Stadtgebiet. In den darauffolgenden Monaten entstanden intensive Kontakte zu verschiedenen Jugendcliquen. Dabei hat sich die Problematik der fehlenden bzw. konfliktbehafteten Treffpunkte deutlich herauskristallisiert, so dass die Streetworker mit einer gesicherten Basis in das Projekt „Jugendliche im öffentlichen Raum – Beteiligungsprojekte mobiler Jugendarbeit“ der LAG-Street­work einsteigen konnten. Diese Basis war ausschlaggebend für einen schnellen und fundierten Einstieg in das Projekt.

Bildung der Kontaktgruppe
Dank der bestehenden Kontakte zu den einzelnen Cliquen konnte sehr schnell eine Kontaktgruppe gebildet werden. Die Kontaktgruppe war von Anfang an offen gestaltet, d.h. die Teilnahme an den Treffen war für die Jugendlichen nicht verpflichtend. Die Anwesenheit schwankte demnach zwischen 5 und 15 Besuchern. Daraus ergab sich ein Durchschnitt, mit dem man gut arbeiten konnte. Die Kontaktgruppentreffen fanden regelmäßig einmal die Woche statt. Dabei stand die Frage im Fordergrund: Brauchen wir einen neuen Treffpunkt und wie gehen wir mit den bestehenden (informellen) Treffpunkten um?

Die Kontaktgruppe kam reibungslos zu Stande, obwohl die Jugendlichen aus verschiedenen Cliquen zusammenkamen. Es handelte sich dabei um lose, heterogene Cliquen, die sich aus verschiedenen Subgruppen und Einzelpersonen zusammensetzten. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie die festen Einrichtungen der Jugendarbeit kannten, diese aber in der Regel nicht nutzten. Dennoch haben die meisten sehr positiv auf die Präsenz der Streetworker auf der Strasse reagiert.
„Es zeigt sich bei den Jugendlichen ganz eindeutig, dass sie sich ernstgenommen fühlen.

Außerdem ist sichtbar, dass ihre Frustration über die Situation dadurch sinkt, dass sie diese äußern können und dabei das Gefühl haben, dass sich etwas verändert. Sie können teilhaben an dem Prozess der Entscheidung und an dem Prozess des Kampfes um diesen Treffpunkt. Sie äußern sich, sie nutzen das und sie genießen das auch.“ (Streetworker)

Die Kontaktgruppe war das Verbindungsglied zwischen den Streetworkern und den Cliquen, d.h. die teilnehmenden Jugendlichen fungierten als Multiplikatoren. Die Inhalte, die in der Gruppe erarbeitet wurden, wurden von den Jugendlichen weiter getragen. Mit dem fortschreitendem Verlauf des Projektes funktionierte auch die Kommunikation innerhalb der Kontaktgruppe bestens. Es genügte irgendwann zwei Jugendliche über ein spontan geplantes Treffen zu informieren, um bis zu zehn Weitere anzutreffen.

Methoden
Die erste Methode, eine Fragebogenaktion, ist bereits während der Anlaufphase durchgeführt worden (siehe 1.2.). Diese Aktion wurde als sehr erfolgreich gewertet, da sie detaillierte Auskünfte lieferte. Die Streetworker führten den Erfolg vor allem darauf zurück, dass sie die Befragung erst durchführten, nachdem die Kontakt­aufnahme zu den Jugendlichen erfolgt war und bereits ein Vertrauens­verhältnis bestand. Außerdem wurden die Jugendlichen nicht einfach mit dem Fragebogen konfrontiert, sondern es war eine gemeinsame Entscheidung, eine solche Befragung durchzuführen. Von einer einseitig geplanten Befragung direkt am Anfang der Kontaktaufnahme hätte man weniger gehaltvolle Ergebnisse erwartet.

Der nächste Schritt war eine Fotodokumentation. Die Jugendlichen haben analoge Kameras (es wurde bewusst die traditionell analoge Variante gewählt, um einem inflationären Umgang mit einer Digitalkamera vorzubeugen) bekommen, um sich selbst und ihre Treffpunkte zu dokumentieren. Herausgekommen sind spannende Schnappschüsse, die einen interessanten
Einblick in die Cliquenkultur gaben. Ähnlich wie bei der Fragebogenaktion wird der Erfolg dieser Methode darauf zurückgeführt, dass man den Jugendlichen viel Zeit gelassen hat und das Ganze langsam und gemeinsam mit der Gruppe entwickelt und vorbereitet wurde.

Die darauffolgende Nadelmethode erforderte keine besondere Vorbereitung in der Kontaktgruppe. Hier war die gute Mitarbeit mit der Stadtverwaltung hilfreich, die Karten, Luftbilder und Stellwände zur Verfügung gestellt hat. Die Nadelmethode hat die Treffpunktsituation in Sendenhorst sehr genau veranschaulicht. Sie ist von den Jugendlichen mit Freude und großem Engagement durchgeführt worden. Sowohl die Fotodokumentation als auch die Ergebnisse der Nadelmethode wurden auf einer Sitzung des Schul- und Sozialausschusses präsentiert, bevor sie in Form einer kleinen Ausstellung im Rathaus auch der Öffentlichkeit zugänglich waren.

Ortsbegehungen sind in kleinerer Form immer wieder in die aufsuchende Arbeit integriert worden. Anfang Dezember 2006 fand eine große Ortsbegehung mit Vertretern der Politik, der Stadtverwaltung und der Presse statt. Ziel dieser Begehung war es, der Öffentlichkeit den von den Jugendlichen favorisierten Standort für einen Treffpunkt zu präsentieren. Die Ortsbegehung war für die Jugendlichen schwerer verbindlich zu organisieren - dabei spielte der Termin (Freitag, 14 Uhr) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Ergebnis war, dass bei der Begehung an zwei Treffpunkten keine Jugendlichen, wie verabredet, anwesend waren. Am Ziel der Ortsbegehung (am Ort des geplanten neuen Treffpunktes) waren dafür ca. 15 Jugendliche präsent und durchaus auskunftsbereit. Die Orts­begehung wurde als wichtig und sinnvoll verbucht, hatte jedoch mehr Bedeutung für Außenstehende als für die Jugendlichen selbst.

„Die Ortsbegehung, die wir gemacht haben war in aller erster Linie für die Politiker und für die Presse, also für die Öffentlichkeitsarbeit... . Da haben die Jugendlichen aber eben dran mitgewirkt.“ (Streetworker Sendenhorst)

Die Jugendlichen standen einer großen Ortsbegehung eher skeptisch gegenüber. Es war für sie schwer einzuschätzen, was dort passieren sollte und welche Rolle sie einnehmen sollten. Darüber hinaus hatten nicht alle Beteiligten Interesse an Dialog und Öffentlichkeit. Bei dieser Aktion wurde besonders deutlich, dass die bei solchen Terminen erforderliche Langfristigkeit und verbindliche Planung mit der Klientel schwer zu vereinbaren ist.

5. Besonderheiten des Projektes

Eine Besonderheit des Projektes in Sendenhorst war es, dass die Projektgruppe sehr breitgefächert war. Es war das einzige Projekt, bei dem Vertreter der Stadtverwaltung fest integriert waren. Neben dem Ersten Beigeordneten war auch der Leiter des Ordnungsamtes am Projekt beteiligt. Darüber hinaus war es das einzige Projekt, das ausschließlich von Streetworkern auf Honorarbasis durchgeführt wurde.

Das Projekt in Sendenhorst stieß von Beginn an auf ein hohes Medienecho. Die lokalen Zeitungen berichteten regelmäßig (positiv) über den Verlauf. Das Interesse gipfelte darin, dass das Projekt mit einem Förderpreis (5000 Euro) der „Westfälischen Nachrichten“ ausgezeichnet wurde. Das Projekt wurde als eines von 15 aus 200 Bewerbern ausgewählt. Nach dieser Auszeichnung war das Interesse der Tageszeitung noch größer und es wurde darüber hinaus weitere Unterstützung signalisiert.

Es wurde z.B. angeboten in der Hausdruckerei Plakate für Veranstaltungen zu drucken; es wurde auf die Möglichkeit für Jugendliche aufmerksam gemacht, sich mithilfe der Zeitung Gehör zu verschaffen; es bestand die Möglichkeit, sich auf einer Internetseite, auf der alle geförderten Projekte vorgestellt werden, zu präsentieren. Diese Möglichkeit wird den Jugendlichen auch in Zukunft in Aussicht gestellt.