Kein Schandfleck sein
Wulfen-Barkenberg soll schöner werden: Die Grafitti sollen von den Hochhauswänden verschwinden, die leerstehenden Wohnungen neue Fenster bekommen, der Müll dazwischen verschwinden. Ebenso die komplett maroden Gebäude. Das soll neue Mieter anziehen und die halten, die ihre Miete regelmäßig zahlen und vielleicht sogar Arbeit haben.

Verschwinden soll aber auch eine kleine Hütte, die auf dem Platz zwischen den Betonwohnungen im sozialen Brennpunkt der Stadt Dorsten im Ruhrgebiet steht. Hier treffen sich Jugendliche des Viertels. Für sie ist die Hütte einer der wenigen Orte im Stadtteil, der immer geöffnet hat und wo sie nicht im Regen stehen. Aber sie passt nicht in den Verschönerungsplan der Wohnungsbaugesellschaft und Ärger mit der Nachbarschaft haben die Jugendlichen auch. Die will auf Drängen einiger Mieter, dass der Schandfleck aus der Gegend verschwindet – und als solchen sehen ein Teil der Anwohner die tägliche Ansammlung von Jugendlichen im öffentlichen Raum vor ihren Haustüren. Und es gibt viele Haustüren in Wulfen-Barkenberg: Der Stadtteil hat fast 10.000 Einwohner, in der Umgebung der Hütte sind es Hochhäuser. In den 1960er Jahren wurde Wulfen-Barkenberg völlig neu geplant und aufgebaut – zunächst sehr erfolgreich: In der Nachbarschaft herrschte Pioniergeist, die Anwohner engagierten sich für ihr Umfeld. Doch schon Mitte der 1970er Jahren entstanden erste soziale Probleme. Die offenkundigen Zeichen dafür: Leerstände, zunehmende bauliche Mängel in den Hochhäuser, eine hohe Sozialhilfequote.
 
„Die Jugendlichen wachsen hier mit einem Berg von Problemen auf“, sagt Pater Winfred Pauly, der seit acht Jahren als Streetworker zwischen den Dorstener Hochhäusern arbeitet. Er ist Redemptorist, lebt und arbeitet ansonsten im Jugend-Kloster Kirchhellen. Bei den Armen und Benachteiligten präsent sein und ihnen nach Möglichkeit zu helfen, lautet der Auftrag des katholischen Ordens aus dem 18. Jahrhundert. Für Pater Pauly sind das seit 2000 die Jugendlichen aus Wulfen-Barkenberg. Und dass sie ihren Treffpunkt bei der Stadtteilverschönerung verlieren, will er nicht zulassen. „Es gibt hier auch ansonsten nicht viel, wo sich Jugendliche treffen können.“
Deshalb wurde vor fünf Jahren die Hütte als Provisorium gebaut. „Den Bedarf gibt es aber heute noch immer“, sagt der Streetworker. „An sich profitieren natürlich auch die Jugendlichen von dem Stadtteilumbau, aber ein Treffpunkt muss bleiben.“

Deshalb hat er im Namen der Jugendlichen Verhandlungen aufgenommen: Mit der Wohnungsbaugesellschaft, einigen Anwohnern, dem Stadtteilbüro und einem Architekten. Das Ergebnis: Nur 50 Meter von der alten Hütte kann eine neue entstehen, die ebenfalls eine Freifläche umgeben würde – wenn es Geld dafür gibt. „Es schien bis vor kurzem nicht finanzierbar zu sein, vor allem nicht in so kurzer Zeit“, sagt Pater Pauly. Denn der Umbau des Viertels soll Ende des Jahres angegangen werden. „Und die Fläche wäre dann sehr schnell verplant gewesen.“ Durch die Förderung des LAG-Projekts  „Betreten erlaubt“ - in diesem Fall finanziert durch Mittel der Ehrenamtsförderung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers - wird es diese neue Hütte jetzt doch geben. Daneben soll eine Litfaßsäule stehen, wo Infos für Jugendliche hängen sollen und eine Bank vor der Hütte, „damit im Sommer auch mal gegrillt werden kann“, sagt der Ordensmann. „So wünschen es sich die Jugendlichen.“

Am Projekt beteiligt sind verschiedene Cliquen, die den Platz und die Hütte später auch gemeinsam nutzen wollen. Zwischen 11 und 27 Jahren, so beschreibt Pater Pauly -  Dorstens erster und bis vor kurzem einziger Streetworker - die Jugendlichen in seinem Streetworkprojekt. Etwa 80 Prozent haben einen so genannten Migrationshintergrund, viele haben Erfahrung mit Arbeitslosigkeit und Gewalt. „Es ist nicht gerade das, was man behütete Kindheit nennt“, sagt Pater Pauly. „Den Jugendlichen mangelt es oft an wertschätzender Aufmerksamkeit. Die Hütte sagt ohne Worte: Schön, dass es dich gibt! Hier ist ein Platz für dich!“

Bis Ende November wird der Streetworker zusammen mit den Jugendlichen erstmal das Gestrüpp vom neuen Platz räumen. „Und dann fangen wir an zu bauen, auf dass wir noch vor Weihnachten fertig werden.“