Schiebetüren oder fertige Gartenhäuschen?
David Knaub hat sich auf diesen Samstag gefreut. Zusammen mit fünf Freunden ist der 20-Jährige heute ins Mendener Café Leger gekommen – einem Ort, den der 20jährige sonst meidet, weil „da nur noch Kinder rumhängen“ und weil vieles, was David und seine Freunde in ihrer Freizeit gerne machen, hier im städtischen Jugendzentrum nicht erwünscht ist. „Etwas lauter werden“ zum Beispiel, oder „mal was trinken“. Heute sind die jungen Männer trotzdem da. Denn es geht um ein anderes Gebäude, eines, das sie selber gestalten können und das nicht um 20 Uhr von einem Jugendzentrumsleiter abgeschlossen wird. „Wir werden das gar nicht mehr so lange brauchen“, sagt David. „Immer mehr von uns haben eine eigene Wohnung, in der wir uns treffen können.“ Die geplante Schutzhütte sei auch für „die nachfolgenden Jugendlichen“, sagt David. „Jugendliche werden immer solche Räume brauchen.“ Auch Davids Clique braucht einen anderen Ort, fand Streetworkerin Sarah Schönfelder als sie die Clique im vergangenen Frühjahr kennenlernte. Auf dem Schulhof der Realschule hinter dem Café Leger drängten sich bis zu 30 vor allem männliche Jugendliche.

David im O-Ton über seine Clique auf dem Schulhof / Randale (zu hören >>> oben)

Gehört hatte Sarah Schönfelder schon viel von ihnen, weil alle Bürgerbeschwerden über Jugendliche an sie weitergeleitet werden. Laut, bedrohlich, betrunken seien die jungen Männer, klagen die Anwohner. Sie ärgern sich über Mopeds, zerdepperte Flaschen und auch darüber, dass angeblich nur Russisch gesprochen würde. „Gerade das wird als bedrohlich beschrieben“, sagt Sarah Schönfelder. „Alles Vorurteile“, sagt David. „Wir reden fast überhaupt kein Russisch in der Clique, weil viele von uns gar nicht aus Russland sind, sondern aus Deutschland oder aus dem Libanon oder sonst woher.“ Über die Vorstellungen der Mendener über die Clique kann David schon lange nicht mehr lachen. „Die denken, wir sind alle arbeitslos und gefährlich“, sagt er. „Dabei haben die allermeisten von uns Arbeit oder gehen noch zu Schule.“ Er selbst ist 1992 von Kasachstan nach Menden gekommen und will „für immer bleiben und auch etwas für junge Menschen aufbauen“. Auch Sarah Schönfelder sagt: „Die Wahrnehmung der Clique ist in Menden verzerrt, vielleicht weil sie so groß ist und weil es so viele männliche Jugendliche sind.“

David im O-Ton über das Verhältnis der Clique zu den Anwohnern (zu hören >>> oben!)

Diese jungen Männer sind heute zum Arbeiten ins Café Leger gekommen. Sarah Schönfelder hat alle Tische in die Mitte zusammen gerückt. Die Clique hat sich auf Plastikstühle rund herum gesetzt und wartet auf Tischlermeister Bernhard Ferdinand, der die ihre Hütte mit ihnen planen und bauen wird. Heute wird er dabei auch Architektin Susanne Schmitz unterstützt. Außer David hat noch keiner einer konkrete Idee. „Ein Pultdach“, sagt der 20jährige. „Wir brauchen ein Pultdach, das sieht super aus.“ David ist vom Fach, ein Dachdecker im zweiten Lehrjahr. „An der Stelle können wir auch Geld einsparen“, sagt er gleich zu Bernhard Ferdinand, als der das Café betritt. „Ich kann die anderen ein bißchen anlernen, und dann machen wir das Dach selbst.“

30 Quadratmeter können die Mendener Jugendlichen bebauen. 30 Quadratmeter zwischen grünen Feldern und der Sieg. „Auf der Mirz“ heißt der Ort, den sich die Clique ausgesucht hat, weil sie sich schon jetzt manchmal da trifft. „Auf der Mirz“ ist zwei Kilometer weg vom eng bebauten Menden. Strom- und Wasseranschluss können von den Jugendlichen genutzt werden. „Wollt ihr das?“, will Bernhard Ferdinand wissen. Alle nicken. Immer offen sein dürfen die Anschlüsse allerdings nicht. „Wenn sich das herumspricht, wird das sicherlich missbraucht“, sagt Sarah Schönfelder. Also ist ein Schlüsseldienst nötig. „Es kann aber nicht jeder immer“, sagt Patrick, der heute zum ersten Mal bei der Planung dabei ist. „Wir müssen das irgendwie hinkriegen“, sagt Wortführer David. „Wenn es mal nicht klappt, haben wir halt an dem Tag keinen Strom.“

Viel wichtiger ist ihm, wie die Hütte aussehen soll. Davon hat bis jetzt keiner eine Vorstellung. „Bänke und einen Tisch“, sagt einer und alle murmeln zustimmend.
„Und die Bänke so drumherum.“ „Dann ist der Raum mit dem Tisch voll“, sagt die Architektin. „Und ihr könnt euch nicht mehr bewegen.“ Einen großen Tisch wollen aber trotzdem alle. Sich ein bißchen bewegen können aber auch. Bernhard Ferdinand und Susanne Schmitz schlagen einen ausklappbaren Tisch vor. Die erste gefundene Lösung des Tages. „Wollt ihr denn einen großen Raum oder mehrere Bereiche?“ fragt Susanne Schmitz. Auch darüber hat noch keiner nachgedacht. „Eigentlich wäre es schon ganz schön, wenn man etwas geschützter grillen könnte“, sagt David. Wind- und Wetterschutz ist allen das wichtigste, auch weil es heute wie aus Eimer schüttet. „Am besten ist es, wenn es eine Tür gibt, die zugemacht werden kann“, sagt Patrick. „Falls es auch noch windig ist.“ Alle beugen sich über Susanne Schmitz Papierbogen. Einen Bereich mit vier Wänden und eine überdachte Veranda hat sie gezeichnet. Das wird die zweite gemeinsame Lösung.

David findet eigentlich einen sechseckigen Grundriss schöner. Die meisten anderen auch. Nur, wendet der Tischlermeister ein: „Je komplizierter der Grundriss, desto komplizierter das Dach – und desto teurer.“ Auch Susanne Schmitz meint: „Das sprengt das Budget.“ Zumal sie gerade eine neue Idee kriegt. Eine Art Scheunentür hat sich Patrick gewünscht. „So dass man beide Bereiche auch verbinden kann, wenn mal ganz viele Leute da sind.“ Eine mobile Wand, die wie eine Schiebetür funktioniert – so lautet die Idee der Architektin. Der Tischlermeister hält das für machbar. Handwerker David glaubt: „Das können wir sogar selber machen.“ Von seinem Sechseck haben sich jetzt alle verabschiedet, das passt nicht zu der Idee mit der Schiebetür.



Um auch ein paar Bilder zu zeigen, hat Bernhard Ferdinand Gartenhäuschen verschiedener Anbieter aus dem Internet ausgedruckt. Mit einem Bild vor Augen sind auf einmal alle Jungen lauthals begeistert. „Die beiden“, sagt David. „Die wären doch auch was.“ Die Fertigbauten aus Holz haben beide eine Veranda – wie die eben diskutierte. „Zwei davon gegenüber und wir hätten auch unsere Quadratmeterzahl“, sagt der Tischler. Alle reden durcheinander darüber, welches Haus es denn jetzt sein soll, das rechte Foto oder das linke. „Das wäre natürlich billiger, aber nicht so sehr eures“, wirft Ferdinand ein. Das stoppt die Diskussion. „Und Schiebetüren gäbe es auch nicht.“ Die Türen haben es den Jugendlichen angetan – und auch das selbstständige Bauen. „Lieber was eigenes“, sagen alle. Bernhard Ferdinand will seinen Lieferanten fragen, ob sie sich Sponsoring vorstellen können, wenn sie dann auf einer Eröffnungsfeier für ihren Betrieb werben dürfen. Auch David will seinen Chef nach günstigen Dachziegeln fragen. Das Fundament wollen sowieso alle selber machen. „Wenn es drauf ankommt, kommen 20 Leute und schaufeln mit“, verspricht David.

Nach fast drei Stunden, steht die Hütte mehr oder weniger fest. In zwei Wochen wollen sich alle noch einmal mit dem Tischlermeister treffen. Der will bis dahin die Materialkosten kalkulieren. „Dann können wir uns endgültig festlegen.“ Die ersten Handys klingeln schon, der Samstagabend beginnt. Weil es regnet, heute in einer Wohnung. Und in Zukunft „Auf der Mirz?“ „Bestimmt“, sagt David.