Das Häuschenkonzept
Im gesamten Stadtgebiet Kerpen häufen sich bereits seit Jahren, in den wärmeren Monaten mit zunehmendem Maße, die Beschwerden der erwachsenen BürgerInnen über die Jugendlichen.

Das sind die Anwohner von Spielplätzen, Bewohner von Straßenzügen mit kleinen Erholungsinseln, die mit Sitzgelegenheiten ausgestattet sind, Anwohner von Grünflächen oder Besucher von öffentlichen Einrichtungen, wo sich ebenfalls öffentlicher Raum zum Aufenthalt anbietet. Dieses Phänomen ist also nicht neu und bereits im Jahr 2001 wurde von Streetwork mit der Entwicklung des „Häuschenkonzepts“ begonnen.

Die jugendlichen Mitbürger der Stadt Kerpen verleben ihre Freizeit sowohl in organisierten Strukturen von Vereinen und Institutionen als auch informell im häuslichen Bereich oder einfach „draußen“. Als Anlaufpunkte dienen bekannte Orte, die ihnen oft bereits seit ihrer Kinderzeit vertraut sind. Dazu gehören die Spielplätze in den Wohngebieten und die Schulhöfe der aktuell besuchten weiterführenden, oder der ehemaligen Schulen und Grundschulen.

Größere Freiflächen als Aufenthaltsmöglichkeiten stehen im Stadtgebiet, insbesondere in den Ballungsgebieten, kaum zur Verfügung. Dem Bedarf der Jugendlichen, sich informell auch in größeren Gruppen und Cliquen zu treffen, kann mit dem bestehenden Angebot nicht Rechnung getragen werden. Die Jugendlichen regen immer wieder an, dass sie mit einem überdachten und etwas wettergeschützten Treffpunkt sehr glücklich wären.

An diesem Punkt setzt das „Häuschenkonzept“ an.

Die Jugendlichen haben sich bereits informelle „Treffpunkte“ gesucht, die sich in der Nähe ihrer Wohnräume befinden, die gut zu erreichen sind, die schon teilweise seit ihrer Kindheit bekannt sind, die ihnen die Möglichkeiten bieten, auch in größerer Zahl gemeinsam ihre Freizeit zu verbringen, was im häuslichen Rahmen des Einzelnen nicht durchführbar wäre. Das Verhalten der Jugendlichen an diesen Treffpunkten trifft bei den anderen Nutzern dieser öffentlichen Räume häufig auf Ablehnung. Zum Teil ist die Kritik leider durchaus berechtigt, aber andererseits liegt es oftmals einfach daran, dass zu wenig Raum vorhanden ist, der allen an Ihn gestellten Anforderungen gerecht werden kann.

Die Jugendlichen brauchen aber trotzdem einen Ort, der leicht zugänglich ist und auch unter einer gewissen sozialen Kontrolle steht, aber gleichzeitig nicht zu nah an die immer stärker geforderten Ruhezonen der einzelnen MitbürgerInnen heranreicht. Sie wollen sich mit dieser Örtlichkeit identifizieren und auch gegen Eindringlinge und Störenfriede geschützt werden, die sich in ihrem Bereich nicht korrekt verhalten. Dann übernehmen sie auch Verantwortung dafür und ordnen sich einem selbst aufgestellten Regelwerk unter, das selbstverständlich im Rahmen von Streetwork mit ihnen gemeinsam erarbeitet wird.

Diese Bedürfnisse haben die Jugendlichen alle gemeinsam, das ist kein Kerpener Phänomen, und es ist auch nicht auf spezielle Gruppierungen beschränkt. Bei Kontakten zu den Jugendlichen im Rahmen der Streetwork waren alle Jugendlichen zu Gesprächen bereit. Die Diskussionen waren durchweg konstruktiv. Sie waren offen, sich auf eine Alternative einzulassen,
weil auch sie nicht ständig Ärger haben wollen. Hinzu kommt, dass sie sich sehr ausgegrenzt von der Gesellschaft fühlen, wenn sie ständig von einem Ort zum nächsten vertrieben werden, weil es aktuell eben noch keine Alternativen gibt. Besonders für die Altersgruppe der 13 -17 Jährigen, nicht umsonst „Lückekids“ genannt, fällt es schwer einen informellen Aufenthaltsort zu finden.

Weiterhin haben die Jugendlichen Verständnis für die ganz jungen Spielplatzbesucher, nur nicht für einige Eltern oder auch Anwohner, die sich ihnen gegenüber in einer unflätigen Art und Weise verhalten. Vermittelnde Gespräche zwischen beiden „Seiten“ haben in der Vergangenheit im Rahmen von Streetwork stattgefunden.

In diesen Gesprächen gelingt es durchaus die Jugendlichen mit rationalen Gründen zu überzeugen und mit ihnen gemeinsam einen Ort für „ihr Häuschen“ zu finden. Mit „Häuschen“ gemeint ist ein Wetterunterstand, der nach zwei Seiten geschlossen ist und fest montierte Bänke verfügt. Weiterhin muss ein Abfallbehälter installiert werden. Nach Möglichkeit sollte noch eine zusätzliche Sitzgelegenheit außerhalb des „Häuschens“ montiert werden, um den großen Gruppen, insbesondere bei schönem Wetter, Rechnung zu tragen.

Die Jugendlichen werden im Rahmen von Streetwork regelmäßig an ihren Treffpunkten besucht.
 
Gemeinsam mit den Jugendlichen wird ein Regelwerk zur Nutzung des Treffpunktes aufgestellt. Nach Lösungen bei Konflikten mit Anwohnern oder Anderen wird die Streetworkerin mit den Jugendlichen gemeinsam suchen, die Jugendlichen werden in eine verbindliche Verantwortung genommen. Die Jugendlichen sollen sich mit „ihrem“ Treffpunkt identifizieren.

Leider ist vermehrt festzustellen, dass sich immer mehr Jugendliche in ihrer Entwicklung mit Problemen konfrontiert sehen, die sie alleine, oder mit denen ihnen zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien nicht lösen können. Sie sind dringend auf professionelle Unterstützung und Begleitung angewiesen.

Die Jugendlichen hätten neben einem Aufenthaltsort für ihre Freizeit also auch gleichzeitig eine feste Anlaufstelle, an der verlässlich auch bei problematischen persönlichen Fragestellungen die Streetworkerin als Ansprechpartnerin zu finden wäre, und sie die Jugendlichen nicht im gesamten Stadtteil suchen müsste.

Bislang konnten drei Häuschen realisiert werden. Sie stehen Bürgerpark in Sindorf, im Bürgerpark in Horrem und am Bolzplatz in der Freizeitanlage an der Platanenallee in Türnich. Es gilt in den nächsten Jahren Zug um Zug auch in den anderen Stadtteilen dieses Konzept weiter zu führen, wie es bereits in der Prioritätenliste der Spielplatzplanung ersichtlich ist. Die Kosten eines ausgebauten Treffpunktes belaufen sich auf ca. 10.000,00 €. Gerade in Zeiten angespannter Haushaltslagen fällt es den Kommunen schwer Investitionen zu tätigen, jedoch sollten die sinnvollen Ausgaben den durch mangelnde Aufenthaltsmöglichkeiten entstehenden Kosten durch Vandalismusschäden auf Spielplätzen und Schulhöfen gegenübergestellt werden.