Ein eigener Raum und die Hoffnung auf Toleranz
In Hörstel gibt es zwei große Jugendcliquen: Die Skater und eine Gruppe, die vor allem aus Spätaussiedlern besteht. Für viele Hörsteler ist vor allem die letztere ein Problem – denn sie haben sich den Marktplatz der 20.000 Einwohnerstadt im Kreis Steinfurt als Treffpunkt ausgesucht. Bei schlechtem Wetter treffen sich die fast 30 männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren auch schon mal in der überdachten Pausenhalle der Hauptschule. Ansonsten sind sie auf dem Marktplatz mitten in der Stadt, eigentlich täglich.

Das Problem daran: „Immer öfter spitzt sich die Situation zu“, sagt Gordon Wolf, Sozialarbeiter der Stadt Hörstel. Polizei und Ordnungsamt rücken an, weil Bürger sich beschweren: Über Lärm, Pöbeln, Alkohol und zerbrochene Flaschen. Die Polizei will diesen kriminalitätsbegünstigend genannten Faktoren frühzeitig begegnen: Regelmäßig werden Platzverweise ausgesprochen und Ordnungsgelder eingefordert – die Jugendlichen sollen aus der Stadt verschwinden. Die Jugendlichen fühlen sich drangsaliert und reagieren aggressiv auf die Situation, erzählt der Sozialarbeiter. „Es muss jetzt so schnell wie möglich etwas passieren.“

Seit August beginnt mit dem Betreten-erlaubt-Projekt für die Jugendlichen die Veränderung: Sie bekommen einen eigenen Treffpunkt. Initiiert hat das Stadt Hörstel zusammen mit dem Kreisjugendamt (Kreis Steinfurt). „Sie sollen nicht mehr verdrängt werden, sondern wir wollen die unterschiedlichen Interessen der Bewohner dieser Stadt ausbalancieren“, sagt Gordon Wolf, der das Projekt zusammen mit einem weiteren Streetworker mit einer Teilzeitstelle auf 400-Euro-Basis koordiniert. „Wir brauchen wieder mehr Respekt füreinander“. Dafür diskutierten Politiker und Jugendliche ihre Sicht der Dinge – und vor allem: Über einen geeigneten Ort für einen Treffpunkt. Seit Mitte September steht der Ort fest: Die Jugendlichen bekommen eine begehbare Überdachung auf den Grünflächen des Skaterplatzes – dort, wo sich die andere große Jugendclique Hörstels trifft. Auf dem Platz gibt es eine Skateranlage, einen Basketballfeld und noch viel grüne Wiese.
Er liegt in der Nähe des Hauptbahnhofs, nicht weit vom Stadtzentrum entfernt, wo die Clique sich zur Zeit trifft.

„Wir haben bereits mit den beiden Cliquen zusammen auf dem Platz ein Fußballturnier veranstaltet und gegrillt“, sagt Streetworker Sascha Hönekamp, der für die Stadt Hörstel seit eineinhalb Jahren die Skaterclique betreut und jetzt auch am LAG-Projekt beteiligt ist. „Die Jugendlichen verstehen sich gut. Sie kennen sich auch zum Teil aus der Schule.“ Am Treffpunkt planen, gestalten und arbeiten werden vor allem die Jugendlichen. „Ich bin vor allem der Türöffner“, sagt Gordon Wolf. „Und es gibt einen sehr engagierten Vater, den alle immer ansprechen können.“ Die Jugendlichen wünschen sich in ihrem Treffpunkt auf lange Sicht noch mehr Sportmöglichkeiten. „Im Laufe des Projektes werden sie lernen, wie sie das dann auch schaffen werden“, sagt der Sozialarbeiter.

Die Ziele: Auch die Stadt will mit dem Projekt etwas schaffen: Jugendliche, die nicht in bestehende Jugendeinrichtungen gehen, trotzdem erreichen. Tatsächlich gibt es im ländlichen Hörstel in drei der vier Stadtteile offene Jugendfreizeiteinrichtungen und im vierten einen betreuten kleinen Jugendraum. „Für diese Jugendgruppe waren sie nicht interessant“, sagt Wolf. „Sie wollen vor allem unter sich sein.“ Und deshalb trafen sie sich woanders – und wurden dabei immer wieder vertrieben, weil sie die Anwohner störten. Wolf und Hönekamp werden sie auch nach Fertigstellung ihres eigenen Ortes dort regelmäßig besuchen. „Mit aufsuchender Arbeit erreicht man diese Kids am besten.“ Und durch öffentliche Diskussionen über die Belange von Jugendcliquen sollen auch bei den Hörsteler Bürger etwas erreicht werden: Toleranz und Gesprächsbereitschaft. „Die Clique gehört eben auch zur Hörsteler Gesellschaft“, formuliert Wolf das Lernziel. „Sie müssen lernen, die Anwohner zu verstehen und umgekehrt auch.“

Insgesamt sind 5.538 der rund 20.000 Einwohner Hörstels zwischen 6 und 27 Jahren. Die Stadt ist über 100 Quadratkilometer groß und ländlich geprägt. Die vier Stadtteile liegen weit auseinander.