Geschützt vor Wetter und Erwachsenen
Sie treffen sich auf Kinderspielplätzen und unter den überdachten Eingängen der Schulen des Viertels. Gern gesehen sind sie hier nicht: Sie treffen sich, quatschen, albern rum, doch manchmal trinken sie auch, hören laute Musik, zerschmeißen Flaschen und pöbeln Passanten an. Über die Jugendlichen im Südviertel Münsters haben sich die Anwohner in den letzten Jahren oft geärgert. Ebenso das Ordnungsamt und auch die Polizei. Seit August 2007 baut eine Gruppe Jugendlicher an einer möglichen Lösung des Problems. In der Nähe der Karl-Wagenfeld-Schule entsteht ein Outdoorpoint – wettergeschützt und vor allem: Für sie.

Das war nämlich bislang das Problem: Im Südviertel gibt es zwar ein Jugendzentrum und Sportanlagen. Öffentliche Plätze für Jugendliche um einfach herumzuhängen, gibt es nicht. „Und da sollte sich keiner was vormachen: Jugendliche sind nicht daran interessiert, rund um die Uhr pädagogisch oder sonst irgendwie von Erwachsenen betreut zu werden“, sagt Rüdiger Korn, seit elf Jahren Streetworker beim Diakonischen Werk Münster für das Viertel zuständig und der Koordinator des Projekts.



Ein Viertel, das weder besonders problematisch, noch besonders unproblematisch ist, sagt der Sozialarbeiter. Aber sehr gemischt. Die Sozialdaten liegen im Münsteraner Durchschnitt – und damit weit über dem Nordrhein-Westfalens: Insgesamt leben gerade drei Prozent der rund 27.800 Einwohner des Südviertels von Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II. Die Zahl der jugendlichen Armen ist allerdings höher: Etwa zehn Prozent der rund 2.400 Südviertel-Bewohner zwischen sechs und 18 Jahren ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Es gibt Straßenzüge, die nennt Rüdiger Korn „sozial benachteiligt“, weil sich in mehrgeschossigen Wohnungen Arbeitslosigkeit und soziale Probleme ballen. Ein paar Straßen weiter stehen schmucke Einfamilienhäuser.

Entsprechend gemischt sind die Jugendlichen, die sich auf den Schulhöfen, Spielplätzen und Parkbänken die Zeit vertreiben. Sie eint vor allem eins: Sie wollen einen eigenen Ort. Einen Ort, an dem sie nicht stören – und an dem sie nicht gestört werden.

Eine Idee, die vielen Angst machte und macht. In Münster geht sie schon seit fast einem Jahr um. Am 22. 9. 2006 diskutierten etwa 80 eingeladene Jugendliche, Fachleute, Politiker und Anwohner über das Problem der Jugendlichen. Ihnen selbst wurde dabei immer deutlicher,
was sie wollten: Raum für sich. „Zunächst wollten die Jugendlichen einen abschließbaren Raum, zu dem nur sie den Schlüssel haben“, sagt Rüdiger Korn. „So stark war das Bedürfnis, etwas zu haben, aus dem sie nicht vertrieben werden können.“

Der Plan hat sich verändert und vor allem: Mit dem LAG Projekt 2007 wird er jetzt umgesetzt: Ein überdachter Outdoorpoint, ein Treffpunkt, an dem die Jugendlichen selbst mitwirken, für den sie verantwortlich sind. „Damit wird auch auf die Interessen der Anwohner reagiert werden“, sagt Rüdiger Korn. Die wollen keine Randale, keine Glasscherben, keine Jugendlichen auf Kinderspielplätzen mehr. Eine Garantie, dass es mit dem Outdoorpoint keine Konflikte mehr gibt, kann der Sozialarbeiter nicht geben. „Es ist ein Modellprojekt“, sagt er und verweist auf die positiven Erfahrungen der Stadt Dorsten mit vergleichbaren Treffpunkten. „Die Jugendlichen identifizieren sich mit einem eigenen Ort und werden auch pfleglicher damit umgehen“, sagt Korn. „Sie lernen unglaublich viel Sozialkompetenz durch den ganzen Planungs-, Überzeugungs- und Bauprozess.“

Überzeugt sind inzwischen viele – auch die Politiker und Dezernenten, die zunächst argumentierten, es gäbe ja genug öffentlichen Raum, an dem sich auch Jugendliche treffen könnten. Manche Anwohner fürchten noch immer, die Umgebung des Punktes könnte „mit Spritzen verschmutzt werden“ oder dass alles noch viel lauter wird, berichtet Rüdiger Korn.

Seit letztem September hat sich viel getan: Die Jugendlichen haben kämpfen gelernt – und gewonnen: Sie überzeugten die Jury der Jubiläumsaktion „60 Jahre Ideen fördern“ der Westfälischen Nachrichten, die das Projekt Outdoorpoint seitdem finanziell unterstützt und öffentlich macht. Sie haben Politiker und Mitarbeiter aus Jugendeinrichtungen und Stadtverwaltung, einen Polizisten , einen Architekten als ehrenamtliche Unterstützer gewonnen.



Auch einen Ort gibt es inzwischen: Direkt nach den Sommerferien fangen die Jugendlichen zwischen 14-19 Jahren auf dem weitläufigen Gelände des Spielplatzes vor der Karl-Wagenfeld-Schule mit dem Bau an. Das Angebot werden später gleichzeitig etwa 30 Jugendliche nutzen, schätzt Sozialarbeiter Korn. Betreten ist übrigens erlaubt. Auch der Sozialarbeiter wird im Rahmen seiner mobilen Streetwork nach der Fertigstellung noch immer vorbeikommen. „Es bleibt aber ihr Ort“, sagt er.