Zum Laut-Sein ins Grüne
Pommesbude, Eisdiele, Discounter und ein Platz, an dem alle vorbeikommen, die man so kennt. Ein perfekter Platz, finden die Jugendlichen aus Erftstadt-Lechenich. Bis zu dreißig junge Leute zwischen 13 und 18 Jahren treffen sich täglich auf dem Marktplatz des größten Ortsteils der Stadt. Sie sitzen auf den Bänken und wenn es regnet, stellen sie sich in der Einkaufspassage unter. Ansonsten machen sie das, „was Jugendliche so machen“, sagt Benjamin Küppers, Sozialarbeiter der mobilen Jugendarbeit der Stadt Erftstadt und zusammen mit einer Kollegin zuständig für den Erftstadts größten Stadtteil Lechenich. Sie hängen rum, essen, trinken, lachen, streiten – und das ist mal mehr und mal weniger laut. „Es gab immer wieder Beschwerden, vor allem von den Geschäftsleuten. Und bei denen hatten sich die Kunden beschwert“, sagt Küppers. Über Müll, Lärm und darüber, sich durch die Jugendlichen bedroht zu fühlen. Ein Gefühl, für das es eigentlich keinen Grund gibt, sagt der Streetworker. „Aber sobald Jugendliche in größeren Gruppen auftreten, wirkt das auf manche Menschen bedrohlich“, sagt Küppers. „Sie haben dieses Gefühl, auch wenn die Jugendlichen nichts Bedrohliches tun.



“Er kennt die Marktplatz-Clique schon lange: Zwei Drittel Jungen, ein Drittel Mädchen, die meisten sind Hauptschüler, andere sind schon in der Ausbildung. Weil die 52.000 Einwohnerstadt zwischen Köln und Bonn sehr weitläufig ist, arbeiten die Erfstädter Jugendarbeiter dort, wo sich die Teenager aufhalten – und das ist in Lechenich vorzugsweise der Marktplatz. „Diese Clique ist auf keinen Fall gefährlich“, sagt er. „Pöbeleien gab es sicherlich schon mal und zu laut war es bestimmt auch manchmal.“ Die Alleinschuldigen im Marktplatzstreit seien die Jugendlichen aber auf keinen Fall. „Und sie haben das gleiche Recht, sich auf dem Marktpaltz aufzuhalten, wie alle anderen Bürger auch.“ Jedenfalls solange sich alle an die Spielregeln halten.

Damit das besser klappt, versuchen die Soziarbeiter seit vergangenem Sommer den Interessenskonflikt um den Marktplatz zu lösen: Die Geschäftsleute wollen nicht, dass ihnen die Clique die Kunden vertreibt, die Anwohner wollen in Ruhe und in einer sauberen Umgebung einkaufen und die Jugendlichen wollen einen Treffpunkt, an dem sie machen können, was sie wollen. „Der erste wichtige Schritt war das gemeinsame Gespräch“, sagt Sozialarbeiter Küppers rückblickend. Im Juli 2007 setzten sich alle Parteien mit Streetwokern und dem Ortsbürgermeister zusammen, um eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind. Heraus kamen zwei Ideen, von denen eine bereits erfolgreich
ist. Drei neue Bänke stehen inzwischen auf dem Lechenicher Marktplatz. Sie stehen zur Straße gewandt, nahe der Bushaltestelle „Marktplatz“, bei der man sich bei Regen unterstellen kann. Von den Geschäften sind die neuen Bänke soweit entfernt, dass deren Eingänge auch dann nicht blockiert sind, wenn die Clique komplett versammelt ist. „Dort ist auch nicht der übliche Fußgänger-Durchgangsverkehr“, sagt Küppers. „Pöbeleien können also gar nicht erst stattfinden.

“Gegen den Müll gibt es einen Mülleimer – und gegen den Lärm soll bald die zweite Projektidee greifen, für die es mit den Fördermitteln des „Betreten erlaubt“-Projekts für 2008 jetzt Geld gibt. Die Jugendlichen sollen am Rande des Stadtteils eine Grillhütte bekommen. Einen Outdoor-Treff, „wo sie Party machen können und es auch lauten werden darf“, sagt Küppers. „Das war ihnen in der Diskussion besonders wichtig.“

Der Ort dafür lag von Anfang an auf der Hand, so der Streetworker. Ein Bolzplatz, an dem sich die Jugendlichen schon heute gerne treffen. „Durch die Hütte wird das dann auch ein regenfester Treffpunkt“, sagt Küppers. Ihren Ort sollen die Jugendlichen später in Absprache mit der mobilen Jugendarbeit der Stadt selbst verwalten. Darüber, wie er aussehen soll, wurde schon lebhaft diskutiert. „Wir haben stundenlang an Ideen für Fenster, Dachformen und Materialen gearbeitet und Möglichkeiten durchgeplant“, berichtet Küppers von den Projekttreffen. „Die Clique ist Feuer und Flamme, schon das Planen macht ihnen großen Spaß.“ Ideen gibt es viele, eine Theke mit Tonröhren, in denen auch ohne Strom Getränke und Essen kühl bleiben, zum Beispiel. Beim nächsten Treffen kommt schon der Architekt – und die Grillhütte wird konkret. „Dann wissen wir auch eher, ob und für welche Extras noch Geld da ist“, sagt Küppers. Er hofft, dass die Hütte noch in diesem Sommer fertig wird. „Dann können wir noch grillen.“ Für viele der Marktplatz-Clique sind allerdings jetzt erst Mal Schulferien: „Danach beginnen manche auch schon mit ihrer Ausbildung. Da müssen wir in der Bauphase schauen, wer wann Zeit hat“, sagt Küppers. „Einige haben auch von Anfang an gesagt, dass sie lieber nur Bauen und nicht Planen wollen.“



Von den nächsten Anwohnern liegt die Grillhütte 170 Meter entfernt. „Das reicht hoffentlich, um Konflikte zu vermeiden.“ Die gab es am Marktplatz auch nicht mehr, seit es die Bänke gibt. Und bald gehen die Lechenicher Jugendlichen zum Laut-Sein sowieso ins Grüne.