Tür an Tür mit der Jugend
Einfamilienhäuser mit Steingänsen, die sich mit Einfamilienhäusern mit Gartenzwergen abwechseln. Jetzt im Dezember winkt hier überall der Weihnachtsmann. Es ist still in der Heddinghovener Straße im Erfstädter Ortsteil Lechenich, obwohl es Samstag ist. Die Kinder spielen drinnen, die Autos parken vor der Tür. „Spießig“, sagt Denise. „Richtig spießig ist es hier.“

Das ist nicht nur das jugendliche Werturteil einer 18-Jährigen über ihre dörfliche Heimat. Denise macht sich Sorgen. Diese Nachbarschaft könnte ihr und ihren Freunden das wieder wegnehmen, was sie heute aufbauen und wofür sie ein Jahr lang gekämpft haben. „Diese Leute hier haben vergessen, dass sie selbst einmal jung waren“, glaubt Denise. „Sie haben null Verständnis für Jugendliche und wollen uns am liebsten von hier vertreiben.“ Die Heddinghovener Straße endet inmitten von Felder und noch größerer Stille. Es riecht nach Gras und frisch gedüngtem Feld. „Tür an Tür mit der Natur“, wirbt Erftstadt für sich. Aber plötzlich: Ein Hämmern – und es ist kein Specht.



Knapp 200 Meter vom hintersten Haus der Siedlungsidylle entfernt ragt ein Gerüst aus braunroten Holzpfählen in die Luft. Darin klettern Jugendliche und zwei Handwerker, hämmern und rufen. Der 18-jährige Marco ist seit 8.30 Uhr hier. Er macht gerade eine Ausbildung als Maurer, „diese Woche habe ich durch das Projekt sozusagen 50 Stunden in meinem Beruf gearbeitet“, sagt er. „Aber das ist eben echt wichtig.“

Deshalb ist er auch an seinem Wochenende so früh aufgestanden und ist jetzt am Vormittag von oben bis unten mit Matsch bespritzt. Aber die Hütte soll bis zum Einbruch der Dunkelheit stehen und das ist zurzeit schließlich schon um 17 Uhr. An die Pfähle angelehnt stehen schon die Spanplatten, die die Wände werden sollen. Den Boden haben die Jugendlichen schon am Wochenende zuvor mit Betonplatten gepflastert, denn sobald es hier zwischen den Feldern regnet, verwandelt sich die Wiese und auch der Bolzplatz nebenan in einen Matschplatz. „In der Hütte soll es sauber bleiben“, sagt die 17-jährige Caro. Sie und Denise haben sich heute Plastiktüten um die Stiefel gewickelt. Zusammen mit fünf Jungen, alle zwischen 16 und 19 Jahren, helfen sie beim Aufbauen der Hütte. „Dahinten
kommt eine Bar hin“, erklärt Dominik. „Mit einem Kühlfass, damit wir die Getränke im Sommer schnell kühl stellen können.“ Gegrillt wird dann aber vor der Hütte, „Brandschutz“, erklärt der 16-jährige Auszubildende.



Im Moment kann man in der Hütte noch durch die Wände sehen, auf das Feld, einen Sandhügel und die ersten Häuser der Heddinghovener Straße. Jugendarbeiter Benjamin Küppers kennt die Sorgen der Leute in diesen Häusern. „Im Jugendhilfeausschuss haben alle gesagt, dass sie das Projekt im Prinzip gut finden. Jetzt, wo es vor ihre Haustür kommt, haben sie aber Bedenken wegen des Lärms, den die Jugendlichen möglicherweise machen“, erzählt er. Dass es in der Nachbarschaft der noch gar nicht fertigen Hütte brodelt, ist offensichtlich. „Es wurden schon Unterschriften gegen das Projekt gesammelt“, sagt Benjamin Küppers. Und Denise erzählt: „Gerade kam schon eine Frau vorbei und hat sich beschwert.“

Die Jugendlichen kennen das schon. „Seit einem Jahr kämpfen wir für diesen Ort, weil es für uns überall Ärger gibt, wenn wir uns treffen“, sagt Marco. „Am Marktplatz, auf dem Schulhof, überall gab es Ärger, auch mit Polizei und so.“ Die hätte einmal sogar eine Leibesvisitation verlangt, wegen angeblichen Drogenkonsums. „So was machen wir gar nicht“, sagt Denise. „Das ist echt Schikane gewesen.“ Es wird wieder Ärger geben, wenn sie sich hier treffen, glaubt sie. „Das geht ja jetzt schon los.“ Treffen wollen sie sich hier trotzdem, auch schon im Winter. „Das wird ja jetzt unser Ort“, sagen sie. Wie sie sich im Ernstfall verhalten, haben die Jugendlichen beim Deeskalationstraining in Mondschau schon mal geübt: „Erst freundlich reden, auch auf die Leute zugehen und sonst die Streetworker um Hilfe bitten. “Im Frühling wollen die Jugendlichen und die mobilen Jugendarbeiter die Menschen aus der Heddinghovener Straße zum Grillen einladen und dabei noch mal zeigen, warum so ein Ort so wichtig für Jugendliche ist. Benjamin Küppers hofft, dass die Anwohner in den Monaten bis dahin schon merken, dass es gar nicht so schlimm ist, Tür an Tür mit den Jugendlichen. „Wir sind sehr an einem friedlichen Miteinander interessiert“, sagt der Jugendarbeiter. „Außerdem bauen wir auch noch eine Lärmschutzmauer.“