Projektbeschreibung Sendenhorst
Der folgende Text ist Ergebnis der prozessbegleitenden Evaluation durch die FH Düsseldorf (Prof. Dr. Ulrich Deinet, Michael Janowicz, Angela Hasters) und basiert auf Interviews, teilnehmenden Beobachtungen, Begehungen sowie Gesprächen vor Ort und der Dokumentenanalyse (Projektanträge, Berichte, etc.) die uns freundlicherweise möglich gemacht bzw. zur Verfügung gestellt wurden.

1. Kurzbeschreibung

Seit Beginn des Sommers 2006 führt das örtliche Jugendwerk e.V. in Kooperation mit der Stadt Sendenhorst (Ordnungsamt), dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien des Kreises Warendorf (Träger der Jugendhilfe) und anderen Dienststellen ein Projekt der aufsuchenden Jugendarbeit mit zwei Honorarkräften durch. Den Honorarkräften ist es nach kurzer Zeit gelungen, Kontakte zu etwa 60 bis 70 Jugend­lichen herzustellen. Ein Zwischenbericht ergab, dass die Mobile Jugend­arbeit dringend ausgebaut werden sollte, weshalb Fördermittel der LAG Streetwork beantragt wurden.

Mit der Förderung konnte das Projekt „Neue Wege in der Jugend­­arbeit – Dialog und Beteiligung“ im Oktober 2006 gestartet werden. Damit sollte den zunehmend steigenden Konflikten zwischen den sich auf der Straße aufhaltenden Jugendlichen und der damit konfrontierten Bevölkerung adäquat begegnet werden.

Der Projektschwerpunkt wurde darauf gelegt, aus den verschiedenen Cliquen eine Kontaktgruppe zu bilden, mit der man die Situation an den besteh­enden (informellen) Treffpunkten reflektiert und darüber hinaus die Errichtung eines neuen, geduldeten Treffpunktes in Aussicht stellt. Die Bildung der Kontaktgruppe konnte rasch erfolgen, da aufgrund der Vorarbeit bereits gesicherte Kon­takte bestanden.

Diese Jugendlichen vertraten eine Zielgruppe, die aus ca. 30 überwiegend männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren bestand, von denen 50% einen Migrationshintergrund (meist sog. Russland-Deutsche) hatten. Etwa ein Drittel der Zielgruppe konnte der Skaterszene zugeordnet werden. Um einen genaueren Einblick in die Lebenswelt der Jugendlichen zu erhalten und um Prozesse voranzutreiben führten die Streetworker unterschiedliche Methoden durch, von denen die Fragebogenaktion, die Fotodokumentation, die Nadelmethode und die Ortsbegehung (einmal ohne und einmal mit Öffentlichkeit) zu besonders interessanten und aufschlussreichen Ergebnissen führten.

2. Sozialräumliche Grundvoraussetzungen

„Sendenhorst ist nicht Neukölln, aber jemand der frustriert ist lässt seinen Frust heraus, ob er alleine im Wald steht oder ob er in einer Großstadt ist. Das wird sich anders äußern, er wird vielleicht andere Symptome zeigen, aber ein frustrierter Mensch ist und bleibt ein frustrierter Mensch. Egal ob er in Paris ist, Neukölln oder in Sendenhorst!“ (Streetworker)
Sendenhorst ist eine Stadt im Kreis Warendorf in Westfahlen. Sie ist mit ca. 13 000 Einwohnern eine Kleinstadt unweit von Münster, die nächste größere Stadt ist Ahlen mit über 50 000 Einwohnern. Sendenhorst vermittelt mit seinem kleinen Stadtkern und vereinzelten Fachwerkhäusern den Anschein einer kleinen, idyllischen Kommune, umgeben von Landwirtschaft und Wald.

Der Standort für den angestrebten Treffpunkt liegt etwas am Rande der Stadt zwischen einer Privatschule und einer Sportanlage. Es gibt keine Anwohner in der unmittelbareren Umgebung. Der Treffpunkt soll auf dem Gelände von ehemaligen Tennisplätzen entstehen, die vor Jahren von dem Sportverein genutzt wurden. Das Gelände gehört der Stadt, der Verein war nur Pächter . Das Gelände ist nur wenige Meter von der Sporthalle entfernt.

3. Ausgangssituation

„Da muss etwas passieren, sonst kracht’s“ (mehrfach geäußerte Aussage von Jugendlichen laut Sendenhorster Streetworkern)

In Sendenhorst gab es in den vergangenen Jahren verstärkte Probleme mit jugendlichen Cliquen an unterschiedlichen, von ihnen selbstgewählten, Treffpunkten im Stadtgebiet. Diese Cliquen wurden von der Bevölkerung häufig als Bedrohung und Ärgernis erlebt – umgekehrt erlebten die Jugendlichen diesen Zustand als Vertreibung und Ausgrenzung. Es kam häufig zur Konfrontation mit den Anwohnern oder mit der Polizei.

„Die Jugendlichen empfinden das so: Wir treffen uns hier und dürfen nicht da sein; wir treffen uns hier und da kommt die Polizei; wir treffen uns hier und da kommen Anwohner. Das ist von den Jugendlichen immer wieder geäußert worden, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, egal ob wir mit Jungs oder Mädchen gesprochen haben.“ (Streetworker)

Zu den informellen Treffpunkten in Sendenhorst gehören öffentliche Plätze wie z.B. Schulgelände, Supermarktparkplätze, Tankstellen, Spielplätze oder Sport­hallen. Ursachen der Konflikte waren meistens Lärmbelästigung, Müll, Sachbeschädigung und Pöbeleien.

Die Streetworker haben während ihrer ca. viermonatigen Mobilen Arbeit Kontakte zu fast allen sich im öffentlichen Raum aufhaltenden Cliquen hergestellt. Sie konnten zusätzlich auf die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung sowie einer Fotodokumentation aufbauen. Dabei waren die Ergebnisse der Befragung besonders aufschlussreich. Ausgewertet wurden 67 Fragebögen von Sendenhorster Jugend­lichen, in der deutlichen Mehrzahl von Schülern (auch Berufschule) männlichen Geschlechts. Bei der Befragung kam u.a. eindeutig heraus, dass die Jugendlichen in ihrer Freizeit am liebsten „Freunde treffen“ und sie sich nichts sehnlichster wünschen als einen eigenen „Treffpunkt“ (vier mal so viele Nennungen wie für Disko oder Skateanlage).