Ein Häuschen im Grünen
Sankt Augustin ist eine junge Stadt: Von 58.000 Einwohnern sind 24,5 Prozent unter 23 Jahren. Im Stadtteil Menden – dem Projektstandort – sind viele dieser jungen Leute Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Den Mendener Jugendtreff „Café Leger“ benutzen sie selten bis nie. „Einzelne Angebote vielleicht noch“, sagt Sarah Schönfelder, die mittlerweile vierte Streetworkerin der Stadt. Aufgenommen wurde die Streetwork 1997 vor allem wegen der heranwachsenden Spätaussiedlerkinder. Ihnen bescheinigte die Stadt „einen hohen Bedarf an Integrationshilfe“ – um ihr Deutsch, ihre Schulleistungen und den Start in die neue Umgebung zu verbessern.



Probleme gibt es trotzdem. Zwischen verschiedenen Jugendcliquen – aber vor allem zwischen den Jugendlichen und den Erwachsenen im Stadtteil. Denn die Cliquen – inzwischen, weil kaum noch Aussiedler in die Stadt kommen, internationaler – treffen sich hauptsächlich an den überdachten Fahrradständern der Realschule. Der Stadtteil ist dicht bebaut, die Anwohner erleben die jungen Leute hautnah – und empfinden sie als bedrohlich. „Zu Unrecht“, sagt die Streetworkerin, an die sämtliche Bürgerbeschwerden über Jugendliche weitergeleitet werden. „Aber die Leute haben Probleme damit, dass sich die Cliquen hauptsächlich auf Russisch unterhalten. Weil sie nichts verstehen, finden sie die Gruppe gefährlich.“ Und oft auch laut. Deshalb kommt häufig die Polizei und verteilt Verweise. Häufig wegen Lärm, manchmal wegen Alkoholkonsum, Mofageräuschen und zerdepperten Flaschen – oder allem drei. „Der Jugendtreff ist keine Alternative für diese Jugendlichen“, sagt Sarah Schönfelder. „Sie wollen eben auch manchmal unter sich sein – das ist dort nicht möglich, verständlicherweise.“

Einen eigenen Ort wünscht sich die Gruppe, von der sich die Anwohner so massiv gestört fühlen. Sie besteht aus fast 20 vor allem männlichen Jugendlichen zwischen 16 und 22 Jahren, die größtenteils als Spätaussiedler aus den ehemaligen Sowjetstaaten nach Sankt Augustin kamen. Mit ihrem Wunsch sind auch die Anwohner und die Schulleiterin
zufrieden, hat die städtische Streetworkerin ermittelt. Denn sie setzt sich regelmäßig mit den Beschwerdeführern zusammen um eine Lösung zu finden, die allen recht ist. „Das ist wichtig für die Entwicklung von Jugendlichen“, sagt Sarah Schönfelder. Von einer Kollegin in Nettetal hört sie von deren „Häuschenprojekten“ – offene Schutzhütten – im Stadtgebiet. Geld von der LAG hätte sie schon im vergangenen Jahr bekommen. „Verwaltungsintern wurde dann wegen der knappen Zeitvorgabe beschlossen, das Projekt ,Betreten erlaubt` 2007 anzugehen“. Jetzt wird der Traum der Jugendlichen von einer massiven Holzhütte immer greifbarer. In einem Videoprojekt hat Sarah Schönfelder mit drei Cliquen zu ihren Bedürfnissen und Wünschen nach einem Treffpunkt Interviews geführt. Am 4. September können die Jugendlichen diese Vorstellungen im Jugendhilfeausschuss des Stadtrates selbst vorstellen – und gleichzeitig mit über den Ort ihres Häuschens diskutieren.



Drei Vorschläge hat die Stadtverwaltung erarbeitet. Einer davon ist bereits Favorit der Kids. „Auf der Mirz“ heißt der Ort, liegt abgelegen an der Sieg in der Nähe eines Kanalwärterhäuschens. „Da hängen auch schon jetzt Jugendliche herum“, weiß Sarah Schönfelder. „Sie finden das Haus anziehend.“ Das soll allerdings verschwinden, da es baufällig ist. „Der Ort ist ideal“, findet auch die Streetworkerin. Die einzigen Anwohner sind ein ganzes Stück entfernt. „Da kann sich niemand gestört fühlen.“ Im Bau und Planungsprozess lernen die Jugendlichen eigenständiges Planen und Arbeiten, das merke man schon jetzt, sagt Sarah Schönfelder. Zur Zeit wird die Gruppe für die Ausschusssitzung gecoacht – Darstellungsfertigkeiten, die sich auch später im Beruf auszahlen. Hinsichtlich Bildung und Beruf ist die Gruppe sehr unterschiedlich: „Wir haben Leute, die ihren Hauptschulabschluss nicht erreicht haben, aber auch angehende Abiturienten und Leute, die ihre Lehre schon fertig haben.“ Sie verbindet ihre Freundschaft und der Wunsch nach einem ungestörten Treffpunkt. Streetwork wird es aber auch in der Holzhütte geben – Betreten ist schließlich erlaubt.