Zwischen Feldern und der Autobahn
Die A 59 rauscht. Permanent. Unter ihr liegen hier in Menden, Sankt Augustin, ein zurzeit matschiger Fuß- und Radweg, viele Felder, ein abbruchreifes Steinhaus hinter Bäumen – und etwas Neues. Ein Haus aus hellem Holz vor einer kleinen Anhöhe. Auf seiner überdachten Veranda qualmt es, denn das neue Haus wird heute gefeiert – mit Würstchen, Steaks, Kartoffelsalat und Bier.



Den ganzen Tag hat die Mendener Jugendclique den letzten Rest gemacht: Mülleimer in den Boden eingelassen, die Dachpappe fertig gestellt. Jetzt ist Freizeit. Zwei Jungs drehen das Fleisch, die anderen haben drinnen die Jacken ausgezogen und bedienen sich am Salat. Es ist warm im Haus, obwohl die Tür offen steht und die Wände unter dem Trapezdach ein Stück weit offen stehen. „Wir haben das Haus genau an die richtige Stelle gestellt“, sagt der 21-jährige David zufrieden. „Hier kommen kein Wind und kein Regen rein und wenn wir viele sind, wird es hier auch im Winter richtig warm.“

So zufrieden sind hier alle. 20 Leute passen bequem in die große Hütte „auf der Mirz“, mit 30 könnte es sogar auch noch funktionieren. „Weil die Autobahn so laut ist, stört sich hier niemand an uns“, sagt Roman Schneider. „Auch wenn wir hier mal lauter feiern.“ Schon in den vergangenen Sommern saß die manchmal fast 30-köpfige Clique „auf der Mirz“ – aus dem gleichen Grund: Sie konnten grillen – und auch mal grölen, ohne dass sich sofort jemand aufregte wie an ihrem anderen Treffpunkt unter der Überdachung der Mendener Realschule. Seit einer Woche vor Weihnachten ist auch die „Mirz“ wetterfest.

Seitdem hat Sarah Schönfelder, die Streetworkerin der Stadt St. Augustin, auch nichts mehr von empörten Anwohnern gehört. Zu laut seien die jungen Männer, hatten die Mendener früher gemeint, und schlecht integriert, weil sie angeblich nur Russisch untereinander sprächen – etwas, was die Jugendlichen verneinen. „Es sprechen gar nicht alle von uns Russisch, weil gar nicht alle aus Russland stammen“, sagt David.
„Auf der Mirz“ können sie sowieso so sprechen, wie sie wollen. Obendrein haben sie gelernt wie es ist, wenn man zusammen etwas baut. „Einmal hätten wir fast aufgegeben“, sagt Roman Schneider. Der 23-Jährige erinnert sich noch sehr gut an den Tag. Sie waren zum Bauen verabredet, morgens um neun. Von den angekündigten zehn Helfern kamen allerdings nur er und noch ein Kumpel, Sarah Schönfelder
und der danach ebenfalls saure Handwerker. „Irgendwie hat sich da jeder darauf verlassen, dass schon genug kommen werden“, sagt David. Danach gab es Streit. Produktiven Streit. „So etwas wäre später nicht noch einmal passiert, weil wir uns klar gemacht haben, dass wir so unsere Hütte nicht haben werden“, sagt Roman. „Und die wollten ja schon alle die ganze Zeit.“

Zwei Tage für die Bodengrundierung, zwei Tage für die Hütte – nach dem Streit ging alles ganz schnell. „Wir haben sogar einen Handwerkertermin abgesagt, weil wir schneller fertig waren“, sagt Sarah Schönfelder. „Es hat auch Spaß gemacht“, sagen die Jugendlichen. Die Regie hatten vor allem Roman und David, beide machen gerade Handwerker-Lehren: David als Dachdecker, Roman als Maler und Lackierer. Gestrichen wird wahrscheinlich auch noch. „Da müssen wir mal gucken, wo wir Geld oder Sponsoren herkriegen“, sagt Sarah Schönfelder. Selber machen ist jetzt natürlich selbstverständlich. Auch Stühle und Sofas wollen die Jugendlichen noch besorgen. „Vom Sperrmüll“, meint David. „Da wird sich noch eine Gelegenheit ergeben.“
Und dann soll „die Mirz“ der Stammplatz werden.



„Leider wird es jetzt noch so früh dunkel und wir haben keinen Strom“, sagt Roman. Von dem hatten die Jugendlichen während des gesamten Projekts geträumt – vor allem weil direkt in Sichtweise ein Trafohäuschen steht. Das hat der jetzige Besitzer RWE allerdings versiegelt, weil immer wieder Kupferleitungen gestohlen wurden. „Da geht wohl auch in Zukunft nichts“, meint Sarah Schönfelder. Und Kabel bis in den Ort legen lassen, kostet mehr als die gesamte Hütte.
In der Hütte spielt trotzdem Musik – aus einem Walkmanhandy. „Das muss sich auch noch verbessern“, meinen die Jugendlichen.

Zwischendurch werfen Spaziergänger mit Hunden neugierige Blicke in die neue Holzhütte. „Es haben auch schon Walker gefragt, ob sie die Hütte auch benutzen können“, erzählt Sarah Schönfelder. Allerdings wurde von einem Passanten auch schon angekündigt, er werde das Treiben hier ganz genau überwachen und dann werde man ihn schon kennen lernen. „Solche Leute gibt es wohl immer“, sagt Sarah Schönfelder. Außerdem: Die Jugendlichen haben sich schließlich in der Planungsphase für eine Schiebetür entschieden und sie auch umgesetzt – und die können sie jetzt zu neugierigen Spaziergängern einfach vor die Nase schieben.