Ein Bauwagen zwischen Hochhäusern
Eingeklammert von Hochhausblöcken ist im Krefelder Süden in den letzten fünf Jahren eine Art Park entstanden: Mit Kinderspielplatz, Pflanzen, Wegen, einem Nachbarschaftscafé und einem Bauwagen, in dem sich Eltern und Kinder treffen können und Sozialarbeiter Sprechstunden anbieten. Eine Zielgruppe fehlte bislang: Für Jugendliche gibt es kein spezielles Angebot. Bis jetzt.. „Die Jugendlichen haben angefangen, sich aus Sperrmüll und Pappe, Hütten in den Büschen zu bauen“, sagt Martina Specker. „Sie wollen unbedingt einen festen Treffpunkt, der privater ist als eine Bank auf einem Spielplatz.“ Die Diplom-Pädagogin arbeitet für Canapee – eine offene Kinder- und Jugendeinrichtung im Krefelder Süden, die Jugendtreffs und Spielplätze im Stadtteil organisiert und betreut.



Die Gegend gilt innerhalb Krefelds als sozialer Brennpunkt. Als solche machte sie vor zehn Jahren auch international Schlagzeilen: Eine türkische Frau und zwei ihrer Kinder verbrennen bei einem vermeintlichen Anschlag im Hochhaus. „Sie können uns nicht herausschmeißen, aber jetzt verbrennen sie uns“, sagte die damalige türkische Innenministerin. Die Stimmung im Viertel war aufgeladen, man vermutete rechtsextreme Hintergründe. Später stellte sich heraus: Es war der Ehemann. Die letzten deutschen Familien verließen dennoch für lange Zeit die Hochhaussiedlung. Hier in der Hochhaussiedlung leben auch heute Menschen aus über 20 Nationen. „Not und Verwahrlosung nahmen zu“, beschreibt Streetworkerin Martina Specker die damalige Situation in der Nachbarschaft.
„Unsere Angebote in der Umgebung nahmen die Menschen nicht an.“ Canapee bietet deshalb seit 1998 Sommerspielplatzaktionen auf dem Gelände vor den Hochhäusern an. 2002 ging dann der Materialcontainer des Bauspielplatzes in Flammen auf. Die Arbeit im und am Viertel ging trotzdem weiter. Seit 2004 gibt es – finanziell unterstützt vom Bistum Aachen – das Nachbarschaftsprojekt Blue Ba. Die Wiese verändert sich, die Menschen kommen ins Gespräch, der Zuspruch steigt. „Nur für die vielen Jugendlichen fehlt ein Angebot“, sagt Martina Specker.

Das soll sich mit dem Betreten-erlaubt-Projekt der LAG noch in diesem Sommer ändern. Schon seit Juni steht ein zweiter Bauwagen neben der Anlaufstelle für Eltern und Kinder. Eine Gruppe von zehn Jugendlichen zwischen 12 und 18, alle aus unterschiedlichen Kulturkreisen, haben ihn bereits blau gestrichen. Sofas wollen sie noch haben, einen Stromanschluss, damit sie Musik hören können – und auch eine Terrasse wollen sie sich bauen. „In dem ganzen Prozess haben sie schon jetzt viel gelernt“, sagt Martina Specker, die mit 30 Prozent ihrer Stelle das Projekt betreut.



„Sie lernen, wie man sich in einer Gruppe abspricht, wie man sich Unterstützung in der Umgebung organisiert – und dass man durch Engagement auch Anerkennung erfährt.“ Handwerkliches lernen die Jugendlichen natürlich auch. Und wie es ist, etwas Eigenes zu schaffen. „Die Anwohner haben bis jetzt durchweg positiv auf das Projekt reagiert“, sagt Specker. „Sie können es ja auch direkt verfolgen.“ Weil der Bauwagen für Eltern und jüngere Kinder direkt nebenan steht, können die Älteren auch mit anpacken. „Ich bin als Ansprechpartnerin auch nach der Umsetzung in der Nähe und komme auch regelmäßig in ihrem Bauwagen vorbei“, sagt Martina Specker. „Ich greife aber nicht in die Abläufe der Jugendlichen ein.“