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6. Wirkungen

Die Jugendlichen
Die Jugendlichen sind durch die Beteiligung an dem Projekt offener geworden. Die anfängliche Zurückhaltung hat sich im Laufe der Zeit in den meisten Fällen als Unsicherheit herausgestellt, da viele der russlanddeutschen Jugendlichen zwar gut Deutsch verstehen, aber im Sprechen unsicher sind.

Die Streetworkerin weist darauf hin, dass es für die Mentalität dieser Jugendlichen sehr wichtig ist, sich eingeladen zu fühlen.

„Sie sind nach Deutschland eingeladen worden und warten immer noch auf das Willkommen. Deshalb fühlen sie sich hier auch enttäuscht. Wenn Du ihnen nicht sagst, wir würden uns freuen, wenn Du mal zu uns ins Jugendtreff kommst, dann kommen sie auch nicht. Wenn sie sich eingeladen und willkommen fühlen, dann sind sie auch gut dabei.“ (Streetworkerin, Greven)

Im Laufe der zahlreichen Besprechungen haben sie begonnen, mehr deutsch zu sprechen. Der Kontakt ist insgesamt enger geworden. Das Treffen am großen runden Tisch war besonders wichtig für sie. Nach eigenen Aussagen hatten sie das Gefühl, dass die Politiker auf ihrer Seite sind. Dadurch haben sie deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen.
„Sie finden es toll, dass Entscheidungsträger ihrer Stadt ihr Ansinnen ernst nehmen und gut finden […] Da eine Lehrerin aus ihrer Schule unter den Politikern ist, ist es ist toll für sie zu bemerken: Selbst wenn ich in der Schule nicht so gut bin, hat das hier keine Auswirkung. Hier werde ich trotzdem anerkannt!“ (Streetworkerin, Greven)

Die Jugendlichen sind mit dem Verlauf des Projektes sehr zufrieden, weil das Engagement der Erwachsenen für ihre Angelegenheiten sichtbar wird.
Auch wenn der inzwischen festgelegte Standort nicht ihr Favorit ist, weil er zu nahe an Ihren Wohnhäusern liegt, erklärten sie sich einverstanden und versicherten, auf die Anwohner zugehen zu wollen.

Die Politik
„Wir versuchen das, es kann etwas schief gehen, aber wir versuchen das trotzdem!“(Jugendamtsleiter, Greven)

Die Politik steht den Projekten der Mobilen Jugendarbeit im Hansaviertel sehr wohlwollend gegenüber. Diese grundsätzlich positive Haltung sei sehr außergewöhnlich, äußern die Mitarbeiter der Mobilen Jugendarbeit. Den Politikern ist diese Form der Jugendarbeit ein erklärtes Anliegen. Auch die Bereitschaft, an dieser Projektgruppe mitzuwirken, ist bemerkenswert, denn die Aufgabenstellung ist nicht ohne Brisanz. Die parteiübergreifende Gruppe wird u. a. bei Anwohnergesprächen dabei sein, um mit ihrer Präsenz dem Projekt gegenüber den Anwohnern und der Politik in Auslegungsfragen einen sicheren Hintergrund zu geben.

Der Fachbereichsleiter für Jugend und Soziales machte am runden Tisch klar, dass das Projekt jetzt in die 2. Runde gehe. Da die Probleme mit den Anwohnern vorprogrammiert seien, sei die Beteiligung von Jugendhilfeausschuss und Verwaltung an dieser Stelle sehr wichtig.
Insgesamt wurde das Projekt als realistisch angesehen und den Jugendlichen wurde volle Unterstützung zugesagt. Die Gruppe hinterließ laut Jugendamtsleiter am runden Tisch den Eindruck, sehr gut vorbereitet, positiv und einnehmend zu sein. Dafür wurde ihnen auch von der Vertreterin des Jugendparlamentes ein großes Lob ausgesprochen.

Die Presse
Zwei Vertreter der lokalen Presse hatten am runden Tisch teilgenommen und berichtet. Besonders positiv wurde die Projektgruppe dargestellt und ihr Anliegen nochmals verdeutlicht. Die Projektstandorte wurden, wie erwartet, explizit genannt. Allerdings wurde auch erwähnt, dass mit Anwohnerprotesten gerechnet wird.
Es sei taktisch unklug gewesen, das Treffen auf einen Donnerstag zu legen. Dadurch sei der Artikel auf Seite 3 gelandet. An einem anderen Tag stände er auf der ersten Seite.

Die Anwohner
Nachdem die Presse über das geplante Projekt und die möglichen Standorte berichtet hatte, reagierten die Anwohner des von den Jugendlichen favorisierten Platzes massiv. Per Anruf und Schreiben gingen beim Jugendamt besorgte und aufgebrachte Beschwerden ein.
Die Anwohner des letztendlich ausgewählten Standortes reagierten zur Überraschung der Projektleiterinnen durchweg positiv und offen.

Die Streetworkerinnen sehen ihre nächste Aufgabe darin, die Bedarfe der Anwohner herauszuhören und sie in die Pläne mit einzuarbeiten. Andererseits müsse aber auch klargemacht werden, dass im Hansaviertel genug Platz für alle da sei und das auch Jugendliche Heimlichkeiten brauchen.
Erfreulicherweise äußerte sich der Vertreter des Arbeitskreises Hansaviertel am runden Tisch in diesem Sinne:

„Die jungen Leute sollen Präsenz zeigen, durchaus nahe dran. Intimität kann man gestalten. Dieser Gruppe traue ich das zu!“

7. Handlungsspielraum der Streetwork

Da die Mobile Jugendarbeit über den Zeitraum von 16 Jahren durchgehend als Institution mit festen, langjährigen Mitarbeitern im Viertel vertreten war, konnte sie kontinuierlich arbeiten und ist in der Öffentlichkeit gut angesehen. Der Kontakt zur Polizei ist seit Jahren kooperativ. Eine Abgrenzung zu Ordnungs­aufgaben ist gewollt und möglich. Die langjährige, positive Zusammenarbeit mit allen beteiligten Gruppen hat für ein starkes gegenseitiges Vertrauen gesorgt, dass sich in dem großen Handlungs­spielraum des Teams niederschlägt
Dennoch gehört es zum Selbstverständnis des Teams, nicht nur als reine Lobby für die Jugendlichen zu fungieren, sondern auch als Mediator zwischen den unter­schiedlichen Gruppen im Viertel zu arbeiten. 

In diesem Sinne heißt Beteiligung für die StreetworkerInnen nicht nur Beteiligung an der Erfüllung von Wünschen, sondern auch Beteiligung an Kompromissen. Daher sind sie auch bereit, lenkend einzugreifen, wenn sich die Jugendlichen mit ihren Vorstellungen und Ideen ihr eigenes Projekt gefährden.

In diesem Projekt war es der Projektstandort, von dem die Jugendlichen im Laufe intensiver Diskussionen langsam überzeugt werden mussten, um die Zustimmung aller Beteiligten zu ermöglichen und somit das Projekt auf einer festen Basis zu realisieren. Dennoch, auch wenn erfreulicherweise für die Umgestaltung des alten Spielplatzes u.a. für den Jugendtreff Gelder aus dem Etat des Jugendamtes fließen, so ist es gerade diese Mischfinanzierung, die den Steetworkerinnen in Hinblick auf die Projekt­verwirklichung „Bauchschmerzen“ macht: Der Treffpunkt der Jugendlichen ist damit in ein Großes eingebettet und kann somit in der Öffentlichkeit nicht als „ihr“ Platz vertreten werden.

Sollte der Jugendtreff dort auf Grund dieser Mehrfachfunktion zur Unzufriedenheit der Jugendlichen verändern, so gibt es im Einvernehmen mit dem Team des Jugendhauses die Möglichkeit, den nächsten dort freiwerdenden Cliquenraum der Projektgruppe anzubieten.

„Ich finde Beteiligungsprojekte gut, aber sie müssen auch Ergebnisse für die Jugendlichen haben!“ (Streetworkerin, Greven)