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6. Wirkungen

Die Jugendlichen
Innerhalb des Projektverlaufes sind die Jugendlichen aus verschiedenen „Teilgruppen“ zu einer homogenen Gruppe von insgesamt circa 30 Personen „zusammengewachsen“, die im Projektverlauf gerade aus der erforderlichen gemeinschaftlichen Bewältigung von Schwierigkeiten mehr Toleranz und Loyalität untereinander entwickelt hat. Die Jugendlichen sind stolz auf das, was sie bisher zustande gebracht haben. Auch die positive Reaktion der Politik hat Eindruck bei ihnen hinterlassen. Die ganze Gruppe war hoch motiviert bis zu den drastischen Anwohnerreaktionen und dem sofortigen Einlenken einiger Politiker.

„Da ist die Motivation erst einmal eingeknickt (…) Die sind davon ausgegangen, dass ihre Interessen nicht richtig verstanden werden. Die waren halt Feuer und Flamme bei so praktischen Arbeiten, alles was so realistisch ist oder >wie geht man auf dem Platz miteinander um< das ist alles greifbar. Aber diese ganzen Gremien, das war dann doch ziemlich viel.“ (Streetworkerin)

 Trotz dieser Belastungsprobe sind nach wie vor viele der Jugendlichen an dem Projekt interessiert und möchten mitmachen. Inwieweit sie sich auf den neuen Projektstandort einlassen, muss sich noch zeigen.

Die Politik
Das Projekt wurde von Beginn an ausdrücklich durch die Sozialdezernentin und den Jugendamtsleiter befürwortet. Auch die Politiker sprachen sich grundsätzlich dafür aus.
Die durch die Anwohnerproteste in Bewegung gebrachte Diskussion hat bewirkt, dass die Politiker aller Fraktionen nochmals klar Stellung beziehen mussten zu dem Weg, der durch dieses Projekt in der Jugendarbeit eingeschlagen wurde.

Beeinflusst wurde die klare Stellungnahme der Politik nicht zuletzt durch die Tatsache, dass dieses Projekt nicht mit kommunalen Geldern finanziert wurde und unter einem hohen Zeitdruck entschieden werden musste. Es wurde zur Prestigefrage, sich als Kommune fähig zu zeigen, diese Gelder auch umzusetzen.

Sehr positiv reagierten die Politiker auf die Präsenz der Jugendlichen in den Ratssitzungen. In persönlichen Gesprächen lobten sie den konstruktiven Austausch mit ihnen und bestärkten sie darin, sich weiterhin für ihre Sache einzusetzen.

Die Anwohner
Zu Beginn der Aktivitäten auf dem Platz gab es immer wieder Zuschauer aus der Umgebung, die sich jedoch durchweg positiv darüber äußerten, dass die Jugendlichen selbst aktiv wurden.
Dennoch wurde das Projekt durch Anwohnerproteste gestoppt.
Ohne vorangegangene persönliche Kontakte ging ein Schreiben beim Amt für Wohnungswesen ein, in der mehrere Anlieger durch einen Rechtsanwalt der Nutzung des Platzes als Jugendtreff widersprechen. Es wird auf Störungen in der Vergangenheit hingewiesen und darauf, dass es mit Sicherheit abzusehen sei, dass

„es wieder zu ganz massiven Störungen und Sachbeschädigungen am Eigentum der anliegenden Erbbauberechtigten kommen wird“ (Beschwerdeschreiben)
Sie machen geltend, dass die rechtliche Grundlage für die Umnutzung des Platzes von einem Kinderspielplatz in einen Jugendtreff auf dem gepachteten Grundstück nicht rechtens sei.
Erst nach der eindeutigen Entscheidung der Politik für den Standort waren die Beschwerdeführer gesprächsbereit, zeigten jedoch keine Verhandlungsbereitschaft.

„Wenn wir von den möglichen positiven Aspekten des Projektes gesprochen haben hieß es, wir hätten zu viel Optimismus. Wenn wir eingeräumt haben, keine hundertprozentige Sicherheit für einen völlig reibungslosen Ablauf versprechen zu können, dann wurde uns vorgeworfen, dass wir etwas durchziehen wollen, wo wir selber nicht dran glauben. […] Die konnten mit unserem Angebot, beteiligt zu werden, mit uns zusammenarbeiten, nichts anfangen.“ (Streetworkerin, Selm)

Unbeteiligte
Die öffentliche Diskussion um den Jugendtreff hat einige Bürger dazu bewegt, durch Leserbriefe in der lokalen Presse Stellung zu nehmen. Darin wird mehrfach gefordert, dass Alternativen zu weiteren Sicherheitsvorkehrungen gesucht werden müssen.

„Brennpunkte, welche sich an der Realschule oder am Oberhof ergeben, können nicht durch Ablehnung, gerichtliche Verfügung und fehlende Gesprächsbereitschaft gelöst werden.“ (Leserbrief, Ruhr Nachrichten vom 13.12.06)

Die Presse
Die Berichterstattung der regionalen Presse richtete sich zunächst nach dem allgemeinen Stimmungsbild, welches Jugend, Vandalismus und Kriminalität in einen unweigerlichen Zusammenhang brachte. Dennoch wird der Presse eine durchaus positive Rolle in der Entscheidungsfindung zugestanden, da die Berichterstattung mit zunehmender Brisanz der Auseinandersetzung durchweg positiv zu Gunsten des Projektes war und sich insbesondere auf die fehlende Gesprächsbereitschaft der Anwohner und einiger Politiker gegenüber den Jugendlichen kritisch besprach.

7. Handlungsspielraum Streetwork

Da die Streetwork seit langem einen festen Bestandteil der Jugendarbeit in Selm darstellt, können die Mitarbeiterinnen eine hohe Akzeptanz ihrer Arbeit voraussetzen.
Die räumliche und organisatorische Nähe mit den anderen städtischen Instanzen (z.B. Ordnungsamt, Polizei, Grünflächenamt) ermöglicht kurze Dienstwege und eine intensive Kommunikation.

Als Angestellte der Stadt sind sie jedoch eng an die Weisungen und Entscheidungen ihres Amtes gebunden. Hier sehen sie in ihrer Arbeit mit den Jugendlichen ein Dilemma, da sie im Rahmen der politischen Beteiligung und der Öffentlichkeitsarbeit nicht auf Instrumente wie Demonstrationen, Leserbriefe o.ä. verweisen können, ohne das Projekt zu gefährden.

„Den Weg dahin haben wir uns nicht so steinig vorgestellt. Wir haben nicht gedacht, dass es einfach wird, aber oftmals hat sich ein Spannungsfeld zwischen parteilicher Jugendarbeit einerseits und der geforderten Neutralität als Mitarbeiterin der Verwaltung anderseits ergeben.“ (Steetworkerin, Selm)