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6. Wirkungen

Politik
Alle politischen Parteien in Sendenhorst haben das Projekt von Anfang an begrüßt.

„Es gibt selten Einigkeit quer durch alle Fraktionen. In diesem Fall ist das so, weil sich in Sendenhorst über die Jahre eine Situation entwickelt hat, die so nicht mehr zu verantworten war. Der Aufbau von Videoüber­wachungs­anlagen, der Prozess von Nachbarschaften, die sich über Jugendtreffs mokiert haben, machten eine Arbeit notwendig, die wir so nicht einfach den polizeilichen Mitteln überlassen konnten. Wir brauchten eine Begleitung für die Jugendlichen.“ (Mitglied der SPD-Fraktion)

Unbeteiligte
Im Laufe des Projektes entstand eine zusätzliche Zusammenarbeit mit einem ehrenamtlichen Helfer, einem Pädagogen in Ruhestand und Ratsmitglied. Dieser wurde zum festen Mitglied der Projektgruppe. Er setzt sich allgemein für die Anliegen von Jugendlichen ein und hat sich für einen Treffpunkt stark gemacht. Durch sein Engagement und gute Kontakte ist ein positiver Nebeneffekt für die Jugendlichen entstanden: Er hat sich besonders dafür eingesetzt, interessierte Jugendliche in Ausbildungsplätze zu vermitteln. Damit hat sich in dem Projekt ein Parallelaspekt hervorgetan, der in Zukunft weiter ausgebaut werden könnte. 

Unerwartet kamen zahlreiche Anfragen von umliegenden Kommunen, die aufmerksam auf das Projekt wurden und großes Interesse zeigten. Konkret ist ein Kontakt zu einem ähnlich angelegten Projekt in Münster zustande gekommen, mit dem man sich über inhaltliche und strukturelle Fragen austauschte.

Jugendliche
Für besonders wichtig wurde der Aspekt betrachtet, dass den Jugendlichen ein Forum gegeben wird, in dem sie sich äußern und etwas verändern können. Das starke Vertreibungsgefühl, das bei ihnen vorherrschte nahm mit dem Fortschreiten des Projektes ab. Besonders die öffentliche Präsenz mittels der Presse zeigte große Wirkung. Die Jugendlichen wurden z.B. von fremden Personen angesprochen und in ihrem Engagement bestärkt. Das hat bei ihnen eine Veränderung im Denkprozess bewirkt: Sie haben erkannt, dass es nicht nur Leute gibt, für die sie lediglich ein Störfaktor sind. Mittlerweile interessieren sich manche sogar für ihre Angelegen­heiten und setzen sich ggf. sogar dafür ein.

Drüber hinaus bekamen die Jugendlichen Fürsprache seitens der Stadt und der Politik. Diese Gesichtspunkte haben bewirkt, dass die anfangs deutlich verspürte Frustration und damit verbundene latente Gewalttätigkeit unter den Jugendlichen abgenommen hat. Auch wenn die Konflikte mit Anwohnern nicht verschwunden sind, spüren die Jugendlichen die Botschaft: Ihr könnt Euch an Euren Treffpunkten treffen, es müssen lediglich einige Regeln eingehalten werden, die offizielle Seite der Stadt ist nicht gegen Euch.
 
„Nachbarn“
Die einzig negativen Reaktionen kamen von der Jugendabteilung des benachbarten Sportvereins. Die Jugendlichen äußerten ihre Kritik zum ersten Mal in dem Internetforum ihres Vereins und in Leserbriefen an die Zeitung, noch bevor feststand, dass der Treffpunkt in der direkten Nachbarschaft der Sporthalle entstehen soll. Sie brachten den Einwand, dass mit diesem Projekt die „Chaoten“ für ihr destruktives Verhalten auch noch belohnt werden. Die starken Einwände dieser Jugendlichen konnten aber besänftigt werden, in dem man einen Kontakt aufgebaut hat und in einem ausführlichen Gespräch die Arbeitsmethoden und Eigenheiten der aufsuchenden Jugendarbeit erläuterte.

Eine zweite Welle des Protests folgte aber nach der Bekanntgabe des Standortes für den Treffpunkt. Die massiven Einwände kamen nicht von offizieller Vereinsseite (im Gegenteil: der Vorstand sprach sich für den Standort aus, da der Verein als Mitnutzer für den Platz vorgesehen war), sondern von großen Teilen der Jugendabteilung. In Folge dessen wurde eine gemeinsame Diskussionsrunde einberufen, bei der der Konflikt ausgeräumt werden sollte. Teilgenommen haben alle Mitglieder der Projektgruppe, Fraktionsvertreter, Vereinsvorstand, Trainer, Eltern und Jugendliche. Dabei war die Jugendabteilung des
Vereins mit ca. 50 Personen vertreten, während nur zwei der betroffenen Jugendlichen anwesend waren. In der Runde wurde deutlich, dass die starken Einwände der Vereinsjugendlichen auf großen Ängsten, aber auch auf Vorurteilen basierten.

„Ich bin mir 100% sicher: das wird zu sehr vielen Konflikten führen, die unsere Jugendarbeit sehr stören werden und ich denke mal, dass viele Eltern dann auch Angst haben, ihre Jugendlichen zum Sport zu schicken wenn sie wissen, dass da Jugendliche rumhängen oder rumgeistern, die ihren Kindern Angst machen, vielleicht nach dem Sport auflauern oder sonstige Sachen machen. Vielleicht mit Drogen dealen, dass ist alles dahingestellt.“ (Älterer Jugendlicher und Jugendtrainer)

Ergebnis der Gesprächsrunde war es, dass eine neue Gruppe mit Abgesandten beider Parteien gebildet werden soll, in der Regeln und Nutzungs­bestimmungen für den Treffpunkt neu diskutiert werden sollen.

Die Streetworker haben sich zunächst jeweils mit Mitgliedern beider Parteien getroffen, um Argumente zu sammeln und jede Gruppe auf eine Zusammenarbeit vorzubereiten. Daraufhin wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit je vier Abgesandten jeder Partei gebildet. Schnell haben beide Gruppen erkannt, dass sie ein gemeinsames Interesse haben: Sie wollen das Gelände der alten Tennisplätze in einen Jugendplatz umfunktionieren. Diese Gemeinsamkeit half dabei, die anfänglichen Annäherungsschwierigkeiten zu überwinden. Zusätzlich konnten lange bestehende Vorurteile teilweise ausgeräumt werden. Das Verhältnis der beiden Gruppen untereinander besteht jetzt auf der „Basis einer gesunden Skepsis.“ (Streetworker) Die Streetworker berichten, dass Teile der beiden Gruppen im Rahmen der Karneval-Feierlichkeiten ohne pädagogisches Eingreifen ihrerseits sogar „Frieden“ untereinander geschlossen haben. 

Aktuell stehen die Baumaßnahmen kurz bevor. Ehe diese beginnen, findet Ende März ein gemeinsames Grillfest mit allen Jugendlichen statt – organisiert von der Projektförderung der „Westfälischen Nachrichten.“ Anschließend fängt der Umbau des Platzes an. Dafür konnten, u.a. durch das Engagement der Jugendlichen, mehrere Sponsoren und Spender gefunden werden.

7. Handlungsspielraum Streetwork

Die beiden Streetworker (w/m) waren als Honorarkräfte eingestellt. Sie waren eingebunden in den Jugendwerk e.V., der seit vielen Jahren Träger von Einrichtun­gen der Offenen Jugendarbeit in Sendenhorst ist. Das Projekt „Aufsuchende Jugendarbeit“ war eine Kooperation mit dem Ordnungsamt der Stadt, dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien des Kreises Warendorf (örtlicher Träger der Jugendhilfe). Während des Projektes bestand auch ein stetiger Kontakt zur Polizei.

„Das war für uns anfangs eher ein Punkt wo wir sehr skeptisch waren, in einer Gruppe zu sitzen, wo das Ordnungsamt und die Polizei dabei sind. Wir haben von Anfang an gesagt, wir können hier keine Ordnungshüter spielen und wir können auch keine Informanten sein... . Das war von Anfang an ganz klar definiert. Uns wurde aber auch schnell klar, dass wir in der Projektgruppe eher die Unterstützung der Polizei genießen können, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Das hat auch ohne Probleme geklappt.“ (Streetworker)

Eine klare Abgrenzung von der Rolle der Polizei und der Ordnungshüter war extrem wichtig für ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen. Diese kamen mit weiterem Verlauf mit ihren Problemen von selbst und baten darum, Kontakte herzustellen, z.B. zu Polizei, Gericht oder Jugendgerichtshilfe.

Die enge Kooperation mit der Stadtverwaltung wurde durchweg positiv erlebt. Folgende Aspekte haben sich herauskristallisiert, die von einer solchen Zusammen­arbeit begünstigt werden:


  • Bereitstellung von Räumlichkeiten
  • Bereitstellung von Luftbildern, Karten, Rasterplänen
  • Unterstützung bei der Pressearbeit
  • Hilfestellung hinsichtlich rechtlicher und bauspezifischer Fragestellungen
  • Schneller Informationsfluss zu Verwaltungsmitgliedern und Ausschüssen